Sich einen Weg durch Form und Farbe finden
Konzentriert schaue ich auf die leere Leinwand. Ich sehe Formen und Farben, doch alles nur verschwommen. Bevor mich das Gefühl der Verlorenheit überkommt, blättere ich in meinem Skizzenbuch. Suchend durchforste ich meine Zeichnungen, in der Hoffnung, auf irgendetwas zu stossen, dass meine Neugier anregt. Ein paar umgeblätterte Seiten, einige abschweifende Gedanken später ist mein Blick bei einer Skizze hängen geblieben. Ich versuche mir die schnellen, hastigen Striche in schwungvollen Bewegungen vorzustellen. Welche Farben spüre ich dabei? Ich lege das Skizzenbuch zur Seite, ich möchte keine zu genauen Vorstellungen bekommen. Ich möchte mich darauf einlassen.
Nachdenklich betrachte ich die vielen Farbtuben. Ich greife nach dem Preussisch Blau, mische ein bisschen Cyan darunter und einen Hauch eines kalten Gelbes. Danach nehme ich einen möglichst breiten Pinsel in die Hand und beginne, die angemischte Farbe mit schwungvollen Bewegungen in die Leinwand einzuarbeiten. Natürlich ist das nicht wortwörtlich zu verstehen, doch es fühlt sich ganz danach an. Einige Stellen der Leinwand sind von einem dunklen Blau. Doch andere, an denen der Pinsel nur noch wenig Farbe an sich hatte und ich sie dadurch lediglich trocken verwischte, zeugen von einem körnigen Teal. Ich betrachte die kräftigen Pinselhiebe und unterschiedlichen Farbnuancen auf der Leinwand und lasse es auf mich wirken. Ich geniesse den Moment, denn ich weiss, dass Bild nicht so bleiben wird.
Am nächsten Tag wiederhole ich den Vorgang, nur nehme ich stattdessen Ultramarin. Dadurch versuche ich, mehr Tiefe in das Bild einzubauen. Danach gehe ich nach Hause. Dort betrachte ich unsere Pflanzenansammlung. Mich faszinieren die verschiedenen Formen. Sie sind kräftig und schwungvoll, wie auch zerbrechlich und fein. Ich zücke meinen Stift und versuche das, was mich interessiert, in meinem Skizzenbuch zu verbildlichen.
Ich werfe noch einen letzten Blick auf das verschwommene, landschaftsartige Bild, welches ich den letzten beiden Tagen geschaffen habe. Anschliessend lasse ich meinen Arm, mit einem feinen Pinsel in der Hand, ein helles, kaltes Cyan auf den Borsten, durch das Gemälde gleiten. Neben mir liegen meine Skizzen der abgebildeten Pflanzenformen aufgeschlagen. Mein Blick pendelt von der Leinwand, wieder zurück zum Skizzenbuch.
Ich betrachte die blaue Pflanzenform inmitten des düsteren Hintergrundes. Es wirken die verschiedensten Blautöne auf mich und ein Gefühl drängt sich in mir auf, diese blaue Welt zu zerstören. Wieder stehe vor der grossen Auswahl der Farbtuben. Zuerst zögerlich, dann bestimmt greife ich nach dem Echtrot.